Merino

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Überblick

Merino nennt man die sehr feine, stark gekräuselte und besonders weiche Wolle des Merinoschafs. Die Faserfeinheit reicht von 16 bis 23,5 Mikron. Die Wolle ist sehr elastisch und hat eine hochwertige Qualität. Die Faser besitzt eine sogenannte natürliche Thermoregulationseigenschaft. Dabei kann die Wolle im Inneren Wasserdampf aufnehmen, die Oberfläche stößt Wasser jedoch ab. Sie kann bis zu 33% ihres Trockengewichts an Wasser aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen. Diese Feinwollschafrasse stammt ursprünglich aus Spanien und ist heute über die ganze Welt verbreitet. Die Wolle wird als hochwertiges Kammgarn vor allem für feine Pullover und Sakkos sowie edle Strickwaren aller Art verwendet. Ausschlaggebend für die Bewertung der Qualität der Wolle ist die Länge der Faser, die Dicke und die Kräuselung (Elastizität). Bei den neuseeländischen Merinoschafen wird die Wolle jedes Frühjahr von der Haut geschoren. Unter dem Jahr ist das Schaf den klimatischen Bedingungen und hohen Temperaturschwankungen von bis zu 45C ausgesetzt. Dieses wechselnde Klima kommt einem Gerbprozess gleich. Dadurch erhält die Wolle eine hohe Widerstandsfähigkeit.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen

Materialbeschrieb (Schafswolle allgemein)

Als Schafwolle werden die Haare des Hausschafs (ovis aries) verschiedener Rassen bezeichnet. Etwa 5% des weltweiten Faseraufkommens besteht aus Schafwolle, zu der Merinoschafe mit rund 40% den größten Anteil beitragen. Das Merinoschaf ist mit seinem umfangreichen Vlies unter den zahlreichen Schafrassen die älteste und wird für Feinwolle bevorzugt. Ausschlaggebende Faktoren für das Wachstum der Tiere und die Qualität ihrer Wolle sind klimatische Bedingungen wie Höhenlage, Lufttemperatur und Niederschläge. Die Rassen und die von ihnen gewonnenen unterschiedlichen Wollarten werden heute grob in die drei Gruppen Merinowolle (Feinwolle), Crossbredwolle (Mittelwolle) und Cheviotwolle (Grobwolle) unterteilt. Schurwolle stammt vom gesunden, lebenden Schaf und ist am wertvollsten.

Schafwolle kann sehr viel Wasser aufnehmen (bei hoher Luftfeuchtigkeit bis zu 30%), ohne dass sie sich nass anfühlt. Sie neigt kaum zum Knittern und ist in nassem und feuchtem Zustand formbar. Trocken übersteigt ihre Dehnfähigkeit diejenige anderer Naturfasern, nass erhöht sich diese nochmals. Dagegen verfügt Schafwolle über die geringste Reißfestigkeit unter den Naturfasern. Im feuchten Zustand nimmt sie weiter ab. Wolle ist wärmeisolierend und relativ unempfindlich gegenüber Säuren, jedoch sehr schlecht beständig gegenüber Laugen. Auch ist sie anfällig für Mottenbefall. Nach ihren Eigenschaften werden folgende Haartypen unterschieden: Flaumhaare (stark gekräuselt), Grannenhaare (gröber, steifer und glatter), Stichelhaare (grob, kurz, spitz zulaufend) und Wollfasern.

Schafwolle wird nach der Schur nach ihrer Qualität klassiert und meist schon in den Erzeugerländern gewaschen. Das Rendement beläuft sich je nach Qualität der Wolle auf 5080% und liegt niedriger, je feiner die Wolle ist. Die Wolle wird entweder als Schweißwolle, gewaschene oder karbonisierte Wolle oder als Kammzug verkauft und zu Garnen oder Zwirnen verschiedener Qualität weiterverarbeitet.

Aufgrund ihrer unübertroffenen Eigenschaften finden Crossbred- und Merinowolle hauptsächlich in der Bekleidungsindustrie und im Heimtextilsektor Verwendung, Cheviotwolle wird zu Teppichen, Isolationsmaterial und technischen Artikeln verarbeitet. Das in der Wäscherei gewonnene Wollfett (Lanolin) wird in der Kosmetikindustrie eingesetzt. Die ausgekämmten Kurzfasern finden in der Streichgarn- oder Filzindustrie Verwendung. Schafwolle wird auch als Dämmstoff eingesetzt.

Hintergrund

Geschichte
Schafwolle gilt als einer der ersten textilen Rohstoffe, den Menschen für ihre Bekleidung nutzten. Dabei verwendeten sie vermutlich zuerst das Fell, bevor sie die geschorenen Haare zu Filz und später zu Stoffen webten. Älteste Funde von Wollstoffen aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. stammen aus dänischen Baumsärgen. Die ältesten Hinweise auf die Zucht von Wollschafen finden sich im Iran und reichen bis ins 6. Jahrtausend v. Chr. zurück. In Ägypten kam die Schafzucht erst im 2. Jahrtausend v. Chr auf. Die eigentliche Schafzucht begann um 1280, als die ursprünglich aus Nordafrika stammenden Merinoschafe nach Spanien gelangten. Im Mittelalter war Wolle der wichtigste textile Rohstoff in Europa. Die Ausfuhr der Merinoschafe aus Spanien, bis dahin vom spanischen Königshaus unter Androhung der Todesstrafe untersagt, setzte Mitte des 18. Jh. ein. Die Schafe wurden hauptsächlich nach Deutschland, England, Österreich und Russland exportiert, wo man sie mit einheimischen Rassen kreuzte (woraus die sogenannten Kreuzzuchten oder Crossbreds entstanden). Im 19. Jh. begannen europäische Siedler mit dem Aufbau riesiger Schafherden in Übersee. Die Wollverarbeitung blieb lange ein Handwerk; die Mechanisierung und industrielle Verarbeitung von Schafwolle setzte später ein als bei Baumwolle.

Ökonomie
Ein Merinoschaf liefert pro Jahr rund 5 kg Wolle, der Ertrag ist nach Rasse, Alter und Zucht unterschiedlich. Die Wollproduktion liegt heute bei ungefähr 1,3 Mio. Tonnen. Der weltweit größte Wollproduzent ist Australien mit 330'000 Tonnen (2006). Schafwolle wird in den Produktionsländern auf Versteigerungen gehandelt. Je nachdem, von welcher Schafrasse die Wolle stammt, auf welche Art sie gewonnen wird, von welcher Körperpartie des Tieres sie stammt und ob es sich um ein Lamm, einen Widder oder ein Mutterschaf handelt, unterscheidet sich die Wolle in ihrer Beschaffenheit und Feinheit. Letzteres ist das entscheidende Qualitätsmerkmal und bestimmt den Preis. Neben der Schurwolle, die vom lebenden Schaf gewonnen wird und am wertvollsten ist, unterscheidet man die Wolle von den Häuten gesunder, geschlachteter Tiere (sogenannte Schwitz- oder Schwödewolle) sowie die Kalkoder Gerberwolle, die in Gerbereien nach dem Kalkäscherverfahren ausgerauft wird. Sogenannte Sterblingswolle von kranken, verendeten Tieren hat den geringsten Wert. Die wertvollste Wolle stammt von Schulter, Hals und Seite, gefolgt von der Rückenwolle. Den geringsten Wert hat die Wolle von Kopf, Bauch und Füssen des Schafs.

Ökologie
Bei Überweidung oder freier Haltung, bei der die Herde nur gelegentlich durch einen Hirten oder Schafhalter beaufsichtigt wird, können Schafe erhebliche ökologische Schäden anrichten. Eine hohe Umweltbelastung ergibt sich in jedem Fall bei der Wollwäsche, im Zuge derer große Mengen belasteter Abwässer anfallen. Diese enthalten nicht nur Schweiß, Fett und Sand, sondern auch Pestizidrückstände, die sich über Tauchbäder oder Duschen der Schafe gegen Schädlingsbefall im Wollfett angereichert haben.

Recycling
Aus neuen oder bereits getragenen Schafwolltextilien lassen sich Fasern für die Wiederverarbeitung gewinnen. Der entstehende Werkstoff wird Reißwolle genannt.

Mythologie
Aufgrund ihrer Saugfähigkeit galt Wolle in Opfer und Kult als reinigender Stoff, dem auch die Kraft zugesprochen wurde, Unheil abzuwenden. Man schrieb ihr aber auch eine gegenteilige Bedeutung zu. So befanden sie etwa die Orphiker oder Pythagoreer in Ägypten als unrein, und im Alten Testament findet sich ein Hinweis, dass Wolle nicht für Priestergewänder verwendet werden durfte (Hesekiel 44, 17). Später wurde Wolle zum bevorzugten Stoff einfacher Mönchskutten, auch das Wort Sufi als Bezeichnung der Anhänger einer asketischen Randgruppe des Islam leitet sich von dem arabischen Begriff für Wolle ab (Brockhaus, 354). Das Pallium, ein seit dem 7. Jh. dokumentiertes
Amtszeichen des Papstes, das er selbst trägt und den Metropoliten als Vorstehern einer Kirchenprovinz in einer feierlichen Zeremonie verleiht, besteht aus der Wolle zweier Lämmer. Es handelt sich um ein ringförmiges, liturgisches Gewandstück, das ähnlich einer Stola um den Hals getragen wird, und auf den Bischof als guten Hirten referiert, der das Lamm auf seinen Schultern trägt.

Herstellung

Herkunft, geografische Region
Merinowolle: hauptsächlich aus Australien und Südafrika
Crossbredwolle: hauptsächlich aus Uruguay, Brasilien und Argentinien
Cheviotwolle: hauptsächlich aus Neuseeland

Gewinnung
Schurwolle wird vom lebenden Schaf gewonnen und von geübten Scherern in 1,5 Minuten pro Tier von Hand möglichst in einem Stück geschoren. Sie wird überwiegend im Frühjahr bei der Vollschur gewonnen. Dadurch erhält man längere und kräftigere Wollfasern als bei der zweimal jährlich durchgeführten Halbschur im Frühjahr und Herbst. Wolle wird zudem vom Fell toter Tiere oder von wiederaufbereiteten Alttextilien gewonnen.

Fertigung
Nach dem Waschen der Wolle, bei dem Schmutz, Staub und Fette entfernt werden, erhält man den eigentlichen Faserertrag (Rendement). Darin verbleibende vegetabile Rückstände werden durch Karbonisieren entfernt. Zur Wäscherei gehört auch die Gewinnung von Wollfett (Lanolin). Für die Kammgarnspinnerei wird die Wolle geschmälzt, gekrempelt und in mehreren Passagen vorgestreckt. Die Kurzfasern werden ausgekämmt, die Kammzüge in der Kammgarnspinnerei zu feinen, gleichmäßigen und glatten Garnen und Zwirnen verdreht. In der Streichgarnspinnerei entstehen aus kürzeren Fasern, Abgängen und Reißwolle voluminöse, haarige und unregelmäßige Garne aus meist stark gekräuselter Wolle.

Eigenschaften

Zusammensetzung / Analyse
Hauptbestandteil aller tierischen Faserstoffe ist immer ein Eiweiß (Protein). Je nach Sorte oder Herkunft setzt sich Schafwolle wie folgt zusammen: Kohlenstoff (50 - 52%), Wasserstoff (6,5 - 7,5%), Sauerstoff (22 - 25%), Stickstoff (16 - 17%), Schwefel (3 - 4%), Asche (0,5%). Der hohe Schwefelgehalt unterscheidet Schafwolle und andere Tierhaare von der anderen Proteinfaser, der Seide.

Besonderheiten
Flaumhaare sind stark gekräuselt und dienen dem Wärmeschutz der Tiere. Beim Merinoschaf ist im Vlies vor allem Flaumhaar vorhanden. Grannenhaare, Ober- oder Deckenhaare sind gröber, steifer und weniger gekräuselt als das Flaumhaar. Vliese von Cheviotschafen bestehen hauptsächlich aus Grannenhaaren. Stichelhaare werden möglichst entfernt, da sie beim Tragen auf der Haut Juckreiz auslösen können. Die Feinheit der Fasern wird in Mikrometern angegeben und bezieht sich auf den durchschnittlichen Durchmesser. Sie beträgt bei Merinowolle 16,524 m, Länge 35150 mm, bei Crossbredwolle 2433 m, Länge 50180 mm, und bei Cheviotwolle 33 m und mehr, Länge 120350 mm.

Erscheinung
Farbe: Beigetöne, Brauntöne, Grautöne, schwarz, weiß
Schafwolle unterscheidet sich farblich je nach Rasse und reicht von Weiß über Gelb bis Dunkelgrau, Braun und Schwarz.
Haptik: warm, weich

Bearbeitung

Lieferbare Materialqualitäten
Die Feinheit der Garne wird von der Stapellänge und der Feinheit der Fasern bestimmt. Es gibt Feinheiten von bis zu 140 Nm. Wollgarne werden aus Preisgründen gerne mit Naturfasern oder synthetischen Chemiefasern gemischt, um die Gebrauchseigenschaften je nach Anwendung zu verbessern. Oft findet man Mischungen mit Polyacrylnitrilfasern, da deren Eigenschaften jenen der Wolle am nächsten kommen.

Besonderheiten
Schafwolle kann wie einige andere Tierhaare verfilzen. Durch Einwirkung von Feuchtigkeit, Wärme, Druck und Bewegung lassen sich die Fasern verfestigen und zu verschieden dicken Filzen verarbeiten. Auch Gewebe oder Maschenwaren können gefilzt werden, um der Oberfläche einen geschlossenen Charakter zu verleihen. Mottenschutzmittel können zusammen mit einem Färbebad während der Wäsche oder mit der Spinnschmälze aufgebracht werden.

Veredelung
Für Schafwolle existiert eine Vielzahl an faserspezifischen Veredelungstechniken. Man kann sie karbonisieren, brennen, walken, rauhen, dekatieren und mit einer Antifilzausrüstung versehen. Auch eine Enzymbehandlung ist möglich, um die Wolle filzfrei auszurüsten. Daneben besteht die Möglichkeit einer Flammhemmungs-Ausrüstung und einer Permanentfixierung.

Quellennachweis

S1-8 Materialarchiv, www.materialarchiv.ch/detail/597 (Online-Schaltung: 13.11.2013)

Quellen Standardwerke
Brockhaus - Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden. (1996), Bd. 24. Leipzig, Mannheim: F. A. Brockhaus GmbH, S. 352-354.
Hofer, A. (2000). Stoffe 1 Rohstoffe: Fasern, Garne und Effekte. Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag GmbH.
Schenek, A. (2000). Naturfaserlexikon. Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag GmbH.
Völker, U. & Brückner, K. (2007). Von der Faser zum Stoff. Textile Werkstoffund Warenkunde. Hamburg: Verlag Dr. Felix Büchner - Verlag Handwerk und Technik, S. 29-42.
Zahn, H., Wulfhorst, B. & Külter, H. (1991). Faserstoff-Tabelle: Wolle (Schafwolle) Feine Tierhaare. Aachen: Sonderdruck.

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